Wenn am Abend des 16. Juni 250 Kinder in der Liederhalle leidenschaftlich die Schöpfung besingen, sind viele unserer Schüler*innen aus den Klassen 5b und 5c mit dabei. Denn unsere Stimmbildungsklasse ist Teil des Musikfestes Stuttgart der Internationalen Bachakademie, das unter dem Motto #natürlich vom 16. Juni bis 2. Juli 2023 die Natur als Kosmos und Lebensraum, die Natur des Menschen und sein natürlichstes Instrument erkundet – die Stimme. Gemeinsam mit wunderbaren Solisten und der Gaechinger Cantorey unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann stellen sie sich und den Konzertbesucher*innen die Fragen, wie sich unser Verhältnis zur Natur im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat und mit welchen Wünschen und Ängsten wir heute auf unseren natürlichen Lebensraum blicken.
Dass die christliche Ursprungserzählung der Menschheit sich im Eröffnungskonzert in der Liederhalle in den Stimmen und der zukunftsgerichteten Perspektive von zweihundert Stuttgarter Schulkindern spiegelt, ist da nur konsequent. Auf dem Programm der Gaechinger Cantorey unter Hans-Christoph Rademann steht eine freie Bearbeitung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ von Karsten Gundermann. Nicht nur aus religiöser, auch aus weltlicher Sicht hat der Wiener Klassiker das Verhältnis von Mensch und Natur beleuchtet und damit ein zentrales Thema der Aufklärung aufgegriffen. Wer hinter die heiter-lockeren ländlichen Szenen und lautmalerischen Naturbilder des Oratoriums „Die Jahreszeiten“ schaut, das die Gaechinger Cantorey klanglich aufblühen lässt, entdeckt tiefergreifende Themen: die Demut gegenüber der Natur, der man einerseits ausgeliefert ist und mit der man sich andererseits noch in harmonischer Übereinkunft befindet.
Die ans Musikfest-Motto „#natürlich“ angepasste inhaltliche Ausrichtung der Oratorien-Bearbeitung ist ein Vorwurf an den Umgang des Menschen mit der Natur. Denn während sich die Bachakademie in den ersten beiden Teilen ihrer Haydn-Adaption stark am Original der „Schöpfung“ orientiert, steht im dritten Teil nicht die Paradiesgeschichte im Vordergrund, sondern eher eine Art symbolische Anklage an Adam und Eva, denen vorgeworfen wird, mit der Schöpfung nicht verantwortungsvoll umzugehen.
In diesem Vorwurf finden sich auch unsere Fünftklässler*innen wieder, die sich so ihre ganz eigenen Gedanken über die Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung machen. Sie haben nicht nur am gemeinsamen Musizieren mit den Profis Spaß, sondern treten auch in der Gewissheit an, mit Freude etwas für den Planeten Erde zu tun, indem sie mit diesem Konzert das Augenmerk der Zuhörer auf die Kernfrage lenken: In welcher Klimazukunft wollen wir leben?
Autor: Königin Katharina Stift